Nun muss ich mich also doch einreihen in den Kanon der Blogger. Ja, ich klinge ein wenig genervt, weil ich eigentlich nicht so viel anfangen kann mit dem, was man heutzutage wohl unter dem Schlagwort „Social Media“ zusammenfassen würde. Dennoch schreibe ich „muss“, weil ich nicht länger nur meckernd vorm Fernseher oder PC sitzen will. Seit längerem habe ich das dringende Gefühl, dass die Welt in Schieflage geraten ist. Das ist ein sehr großes Wort und scheint vielleicht übertrieben. Was ich damit meine, ist Folgendes: Ihr kennt doch sicherlich die optische Täuschung, für die ein Raum – ein Container oder Ähnliches – schief aufgehängt und dann gefilmt wird. Sieht der Zuschauer nun diesen Raum im Fernsehen, scheint auf den ersten Blick alles normal zu sein. Bis ein Mensch ins Bild kommt und seltsam schief geht. Bis er sich eine Tasse Tee eingießt und das heiße Getränk in einen unnatürlichen Bogen auf dem Tisch landet. Und genau solche Schieflagen beobachte ich auch immer wieder im echten Leben. Da soll Wirtschaftswachstum die einzige Möglichkeit sein, um Armut auf der Welt zu bekämpfen – und trotz anhaltend hoher Wachstumszahlen wird laut einer Studie der britischen Hilfsorganisation Oxfam die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Da wissen wir immer mehr darüber, wie unser Körper funktioniert, welche Prozesse in den Zellen stattfinden und es gibt seitenweise Empfehlungen, was wir essen und wie wir leben sollen, um gesund zu bleiben – und dennoch waren die Menschen in den Industrienationen noch nie so dick wie heute. Und da werden Kommunikationswege erfunden, die sich „sozial“ nennen – die dazu führen, dass Menschen stundenlang auf ihr Smartphone starren und mit den Freunden, mit denen sie im Bus sitzen oder die Straße entlang gehen, bestenfalls zwischendurch ein Wort wechseln, auf welcher Seite sie gerade surfen.
Mein Wunsch ist es aber nicht nur, Dinge zu bemeckern, die mir aus dem Lot geraten scheinen. Ich will vor allem herausfinden, wie man es anders und hoffentlich besser machen kann. Denn eines scheint mir unsere moderne Gesellschaft aus dem Blick verloren zu haben: alles, was wir machen, tun wir doch, damit es uns gut geht und unserer Familie und unseren Freunden auch. Und was, wenn es mir nicht besser geht, wenn ich noch zwei Stunden länger arbeite oder 100 Euro mehr auf dem Konto habe? Was ist eigentlich ein gutes Leben? Was kann ich machen, damit ich eines führe? Es ist nicht so, dass ich eine Patentantwort auf diese Fragen hätte oder Lösungen aus der Tasche zaubern könnte. Aber ich will gerne meine Gedanken dazu mit euch teilen.
So und wer steht nun hinter dieser Seite? Ich heiße Anne, habe erfolgreich Wirtschaftswissenschaft studiert und darf mich seit nunmehr fast zehn Jahren Diplom Ökonomin nennen. Nach meinem Abschluss wollte ich in die große weite Welt hinaus. Einmal wortwörtlich: ich bin nach Australien geflogen und habe dort ein Praktikum beim Fernsehen gemacht. Und dann im übertragenen Sinne, denn in der großen weiten Welt der Medien bin ich erst einmal hängen geblieben, habe mein Volontariat gemacht und als Redakteurin gearbeitet. Ich hatte immer die Vorstellung, dass ich was Gutes tun könnte, die Menschen erreichen könnte, kritisch über Wirtschaft schreiben könnte, meine Sichtweise erklären könnte, dass nicht alles immer so geradlinig ist wie es uns erzählt wird. Leider musste ich einsehen, dass die Medienbranche eine recht überbevölkerte Welt ist, in der jeder seine Ellenbogen anspitzt um seinen Nächsten zur Seite zu drängt. Es geht gar nicht um etwas, was man Wahrheit nennen könnte. Es geht nur um Verkaufszahlen. Und die kann keine Zeitung, keine Fernsehsendung und keine eine Website in unserem System überleben. Nun da mein Plan, mit wehenden Fahnen in die Welt zu ziehen und sie zu erobern, gescheitert war, ich gemerkt habe, dass die Medienbranche nicht zu mir passt und ich mit meinem zurückhaltenden Gemüt nicht zur Medienbranche passe, war ich desillusioniert und zugegebenermaßen frustriert. Nun ja, das Leben ist halt kein Wunschkonzert und so hatte ich mich vorerst in meinen sicheren Hafen geflüchtet und für die kleine Webagentur gearbeitet, für die ich schon seit Jahren während Schule und Studium immer wieder gearbeitet habe. Das ist inzwischen drei Jahre her und langsam kommt der Punkt, an dem ich genug habe vom Wundenlecken, vom Regenerieren, vom Grübeln. Ich muss wieder handeln. Dieses Mal versuche ich es auf diese Weise. Diese Welt kann so wunderschön sein. Ich will alles, was ich habe und was ich kann geben, damit sie so bleibt. Für unsere Kinder und Kindeskinder, die es hier noch länger aushalten müssen als wir.